Leitbild

Ertragsstabilität in dynamischen Umwelten

Die heutigen europäischen Anbausysteme in Agrarökosystemen verbinden geringe Biodiversität mit gleichzeitig hohem Einsatz von Ressourcen. Um die Biodiversität zu steigern und die Ressourcen zu schonen, benötigen wir effiziente, ertragsstabile Kulturpflanzen, die von der praktischen Pflanzenzüchtung geliefert werden. Sie bilden die Grundlage für die Nahrungs- und Futtermittelproduktion, sowie auch neue Produkte im Rahmen der Bioökonomie. Seit vielen Jahrzehnten steht die Erhöhung des Ertrags im Zentrum des züchterischen Interesses. Die Stabilisierung des Ertrags auf hohem Niveau (d.h. Ertragssicherheit) gewinnt jedoch, bedingt durch den Klimawandel und die damit verbundene stärkere Wetterdynamik mit zunehmenden Extremereignissen (Hitze- und Trockenheitswellen), knapper werdenden Ressourcen und invasiven Schaderregern, deutlich an Bedeutung. Zudem legt der Verbraucher trotz einer sich ändernden, dynamischeren Umwelt, großen Wert auf eine nachhaltige Produktion bei hoher Qualität der Ernteprodukte.

Auf unseren Äckern stehen heute Nutzpflanzensorten in Monokulturen hoher Ertragsstärke, die jedoch durch Selektion unter optimalen Bedingungen genetisch sehr homogen sind und nur einen Bruchteil der genetischen Vielfalt ihrer wilden Vorläuferarten oder der alten Landsorten enthalten. Es gibt Beispiele dafür, dass bedeutende Gene und Gencluster für die abiotische und biotische Stressabwehr während der modernen Züchtung von Elitelinien verloren gegangen sind und nur zum Teil durch Marker-gestützte Züchtung wieder eingebracht werden konnten. Ob solche Elitesorten noch ausreichend Plastizität aufweisen, um sich in einer immer dynamischer werdenden Umwelt behaupten zu können, ist ungewiss. Gezieltes Anbaumanagement kann die Ertragsstabilität zwar steigern, limitierender Faktor ist aber die Genetik der Pflanze. Darüber hinaus sind die einzelnen Komponenten der Ertragsstabilität von Kulturpflanzen, sowie ganzer Anbausysteme in Agrarökosystemen unklar. Auch die exakten „Kosten“ der Anpassungsfähigkeit (trade offs) sind unbekannt, da sie regional und je nach Pflanzenkultur unterschiedlich sind.

Die molekulare Grundlagenforschung hat in den vergangenen Jahren zu einem konzeptionellen Verständnis der molekularen Netzwerke beigetragen, welche die Anpassungsfähigkeit und Adaptationsstrategien von Pflanzen ermöglichen. Der molekularbiologische Technologiesprung blieb häufig bislang auf Modellpflanzen und kontrollierte Bedingungen im Gewächshaus beschränkt. Deswegen ist es notwendig zu untersuchen, ob und in welchem Umfang diese Konzepte in der praktischen Züchtung von Nutzpflanzen eingesetzt werden können, da auf dem Acker multipler Stress auftritt. So können z.B. Trockenheit oder Schaderreger synergistisch wirken und den Ertrag erheblich mindern, bestimmte Genotypen werden durch Trockenstress oder gezieltes Nährstoffmanagement aber sogar resistent gegenüber Schädlingen. Oftmals kann der Ertrag in einer variablen Umwelt nur im begrenzten Umfang durch das Management beeinflusst werden.

In dieser regionalen Forschungsallianz werden Spitzenforscher der Züchtung und der molekularen Pflanzenforschung einen Kern bilden, aus dem heraus mit gemeinsamen Strategien und Forschungsansätzen ertragsstabile Kulturpflanzen entwickelt werden (Abb.1). Ziel ist es, die auf der Grundlage von Modellpflanzen erarbeiteten Kenntnisse zu molekularen, genetischen Netzwerken und Konzepten in der Züchtung zu nutzen. Dieser Ansatz geht weit über das Einkreuzen einzelner förderlicher Merkmale (Gene) in Elitelinien mittels molekularer Marker hinaus und soll zu einer Neubewertung der molekularen Grundlagen der Ertragsstabilität in realen Anbausystemen führen. Ziel ist es darüber hinaus, genetische Netzwerke von Kulturpflanzen auch in deren Interaktionen mit ihrer Umwelt zu nutzen, um ertragsstabile Mais- und Weizensorten zu gewinnen, die einen nachhaltigen Anbau erlauben. Die molekulargenetischen Grundlagen der Resistenz bzw. Toleranz gegenüber abiotischem und biotischem Stress, die Bedeutung der (möglichen) Vererbung epigenetischer Eigenschaften, die Inkompatibilität bei Kreuzungen, die Grundlagen der Hybridzüchtung, die Manipulation der Chromosomensätze und die Gewinnung doppelt haploider Genotypen sind Aspekte, die in diesem Zusammenhang bearbeitet werden. Diese Themen haben neben der genomischen Zuchtwertschätzung herausragende Bedeutung für neue quantitative genetische züchterische Ansätze.

Abb.1

Die ertragsstabilen Linien werden auch erlauben, neue Produkte und Konzepte für die Bioökonomie zu entwickeln. Es ist zu erwarten, dass durch die regionale Vernetzung der Forschungsaktivitäten an der Schnittstelle zwischen quantitativen Züchtungsmethoden, Kulturpflanzenforschung und molekularer Pflanzenforschung ein bedeutender Züchtungsfortschritt erzielt werden kann, der zur Sicherung der Ernährung und der Ressourcenversorgung in der wachsenden Bioökonomie beiträgt.